
SYRINX – Time Out Of Place
2025 (Ocula Records) - Stil: Progressive Rock/Metal
Verzerrte Saiten, ein Moog-Trittbrett und ein Chor aus Schatten. SYRINX offerieren mit ´Time Out Of Place´ ein zweites Kapitel, das wie ein Analog-Ritual klingt. Es ist warm, fett und ohne digitale Exorzismen. Dieses Album atmet RUSH-getränkten Siebziger-PROG, atmet Arena-Riffs und atmet eine schwere, theatralische Andacht. Aufgenommen komplett mit analoger Technik, mit Händen und echten Kabeln, ist es natürlich ein Statement gegen die sterile Maschine.
Die Band selbst tritt als Kollektiv auf, geführt von Graham McGee an der Gitarre und den Synthesizern; JP Abboud stürzt sich mit hoher, verletzlicher Stimme in jeden Refrain; Seth Lyon legt präzise, oft verschachtelte Schlagzeuglinien; Bobby Shock zementiert die Songs mit einem runden, satten Bass- und Synth-Fundament sowie Lady Chanelle webt unterstützende Harmonien, die manchen Moment zu einer sakralen Andacht anheben.
Geschrieben und gespielt von SYRINX, fanden die Sessions zwischen Dezember 2024 und Februar 2025 in den „Little Red Sounds” von Vancouver statt, mit zusätzlichen Einspielungen in den “Othello Studios” und in “Shock Manor”. Analog gemischt von Nathan Jackson und SYRINX Ende April 2025, gemastert von Brock McFarlane im Mai 2025, klingt das Resultat so wie es entstanden ist, organisch, dicht und analog warm.
Musikalisch bewegt sich ´Time Out Of Place´ permanent auf jenem schmalen Grat zwischen JUDAS PRIEST-Zorn und GENESIS-Weite. Die Gitarren öffnen sich oft wie Kathedralentore, die Synths legen lichte Hallen darüber, der Bass zieht wie ein Pendel durch die Mitte. Die Kompositionen von SYRINX führen oft mit einprägsamen Eröffnungs-Riffs in verschlungene Mittelteile und wieder heraus. Nicht jede Brücke sitzt perfekt, aber wenn sie ins Schwarze trifft, ist es große Kunst.
Der Opener ´Mitosis (Second Light)´ legt die atmosphärische Landkarte mit schimmernden Saiten und Moog-Druck. ´1875´ folgt mit grooviger Härte und hymnischem Refrain. Lyrisch ein finsteres Manuskript, das von Verfall spricht. Zeilen wie „There’s a frightening passage in a tome from 1875“ verleihen dem Song einen historischen Fluch, gepaart mit massiven Bassläufen und Staccato-Riffs. Hier blitzt der Geist von RUSH auf, nicht nur in den Synthflächen, sondern auch im Bassfundament. ´The Master’s Host´ verstrickt Rituale und Dämonenbilder in galoppierende Gitarren und eine Struktur, die von einer mörderischen Ruhe in eine eruptive Wucht kippt. JUDAS PRIEST-artige Härte trifft hier auf mystischen FATES WARNING-Schatten.
´Solace Within´ öffnet als psychedelische Kathedrale. Schwebende Synth-Texturen folgen einer Heldin, die ins Zwielicht schreitet. Textzeilen wie „Seraphim in spell sings solace within dreams“ lassen den Song wie einen Wachtraum erscheinen, atmosphärisch dicht, weniger riffgetrieben, mehr Szenenmalerei, beinahe GENESIS im Spätlicht. Mit ´The Knowing´ liefern SYRINX fast sieben Minuten lang apokalyptische Bilder. Sie spannen einen dramatischen Bogen, in dessen Mitte eine Verlangsamung steht, die die Stimme von JP und die Harmonien von Lady Chanelle zu klagender Größe aufblähen. Dies ist ein Moment, der so sehr nach QUEENSRŸCHE klingt, dass man die ´Warning´-Ära durchschimmern sieht. ´A Waking Dream´ ist hingegen ein kurzes, funkelndes Intermezzo mit klaren RUSH-Querverweisen.
Längere Erzählstücke wie ´Shades Of Your Purpose´ zeigen die Band auf der Suche nach kraftvollen Motiven. Die Passage ist groß angelegt, verliert sich aber stellenweise in Wiederholungen; trotzdem verweilt sie irgendwo zwischen FATES WARNING und QUEENSRŸCHE. ´Unraveler´ ist die rohe, metallischste Nummer mit offenherzigem Zorn, direkten Texten („Why did you do this to me“), einem klaren Schlagwerk, das den Song als Gegengewicht zu den verschachtelten Prog-Narrativen fungieren lässt. Hier spürt man den Geist von späten Siebziger-PRIEST in seiner rauen Direktheit. Der Schlusspunkt ´It Left´ schafft eine finale Aufräumsequenz, resolut und versöhnlich zugleich, samt einer Spur RUSH in der Nachdenklichkeit seiner Harmonien.
Stimme und Darbietung sind das Polarisationsmoment des Albums. JP Abbouds hohe Ausflüge tragen Dramatik und zugleich Risiko. Wenn er das Extreme sucht, kann die Intonation scharf und kraftaufwendig wirken. Die Dialoge mit Lady Chanelle wiederum sind Gold, ihre Backings verwandeln manche Refrains in sakrale Chöre. ´Time Out Of Place´ setzt dabei durchgehend auf analoges Handwerk und opulente Arrangements. Eine gewisse Unvollkommenheit macht das Album allerdings auch menschlich. Es ist ein analoges Bekenntnis, ein progressives Gebet. Es ist kein Überwerk, das jede Erwartung sprengt, aber ein Werk mit Seele, Moog-Druck und echten Saiten, ein Album, das in der Kirche des SaitenKults eine würdige Kerze anzünden darf. Und mit den Jahren dürften sich die momentan ungeschminkten acht Punkte in schlichten Kult verwandeln.
https://priestsyrinx.bandcamp.com/album/time-out-of-place
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