
BETWEEN THE BURIED AND ME – The Blue Nowhere
2025 (InsideOutMusic/Sony Music) - Stil: Prog Metal
Ein Vierteljahrhundert lang haben BETWEEN THE BURIED AND ME versucht, den progressiven Metal neu zu verdrahten, als würden sie ein riesiges Nervensystem quer durch die Heavy-Musik ziehen. Zehn Alben lang war jedes Werk eine Station auf dem Weg durch den Kosmos – von den frühen, chaotischen Ausbrüchen eines ´The Silent Circus´ über die alles umwälzende Farbenexplosion von ´Colors´ bis hin zum strukturellen Nachhall ´Colors II´. Und jetzt, im Jahr ihres 25. Geburtstags, öffnen Tommy Rogers, Paul Waggoner, Dan Briggs und Blake Richardson eine Tür, die direkt ins Unendliche führt: ´The Blue Nowhere´. Das elfte Studioalbum ist allerdings kein Konzeptalbum und keine erzählte Geschichte, hat keinen roten Faden und keinen Protagonisten. Stattdessen kreisen die Gefühle um einen Schwebezustand. Tommy Rogers beschreibt die Inhalte als flüchtige Gedanken, als Tagebucheinträge. Dieses Album ist dennoch kein biografischer Roman, es ist ein auf Tonband eingefangener Bewusstseinsstrom.
Der Einstieg, ´Things We Tell Ourselves In The Dark´, ist eine halluzinatorische Achterbahnfahrt durch Neon und Schatten. Bassläufe in Funk-Farben, Synthie-Flimmern im Stil der 80er, dann plötzlich rhythmische Verwerfungen, die aussehen könnten wie Gitarrenlinien von YES, wenn sie auf DURAN DURAN treffen und gemeinsam vom Wahnsinn infiziert werden. Tommy Rogers singt von Fieberträumen, von Visionen, und darunter pulsiert ein Rhythmus, der beinahe den Groove von PRINCE atmet.
´God Terror´ kontert mit brutaler Klarheit, ist wütend, reduziert und manisch, ist eine kalte, industrielle Walze mit verzerrten Schreien und wütender Elektronik. Dann entfaltet sich ´Absent Thereafter´ als ein über zehnminütiges Biest, in dem Paul Waggoners Gitarrenideen der letzten Jahre in neue Dimensionen katapultieren. Selbst Bluegrass-Anflüge und Speed-Metal-Salven tanzen letztlich auf ein theatralisches “Goodnight!” zu.
Nach dieser monumentalen Dreifaltigkeit biegt das Album in seine seltsamste, berauschendste Passage ab. ´Pause´ wirkt wie eine schwebende Zwischenwelt, zart, fast Musical-artig. Doch sogleich zerreißt ´Door #3´ diesen Frieden wieder in Zirkus-Deathmetal-Fetzen, inklusive Flamenco-Zwischenspiel und grotesken Charakterstimmen, die selbst Mike Patton erbleichen lassen.
´Mirador Uncoil´ ist nochmals ein avantgardistisches Zwischenspiel, ´Psychomanteum´ purer Wahnsinn über elf Minuten, denn mathiger Death Metal wird nur von Klaviertupfern durchbrochen. Doch richtig verstörend, schillernd und überwältigend ist erst ´Slow Paranoia´, in dem erstmals eine große Streich- und Bläsersektion (inklusive Tuba von Ray Hearne) durch die Musik taumelt. Die Orchestrierung schillert zwischen Gershwin-Sweetness und Wahnsinn, solange bis alles kollabiert, irgendwo eine Klarinette hysterisch lacht und die Gitarren wie Splitter zerbersten.
Der Titelsong ´The Blue Nowhere´ ist wie ein Heimkommen in die Vergangenheit und Zukunft, ist Yachtrock und Classic Rock, mit sanften Clean-Vocals, mit gedoppelte Harmonien und mit frischem Sauerstoff zum Durchatmen. ´Beautifully Human´ schließt zu guter Letzt diesen Trip, indem es alle verstreuten Elemente wieder zusammenführt. Tommy Rogers’ Gesang entlädt sich in einen euphorischen Befreiungsmoment, bevor Paul Waggoner ein Gitarrensolo entfesselt. – Fade Out. Tür zu.
BETWEEN THE BURIED AND ME haben nicht einfach ein weiteres Album gemacht. Sie haben ein neues Universum erschaffen – und uns eingeladen, uns darin zu verlieren.
Willkommen im Blue Nowhere.
(8,5 Punkte)
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Pic: RandyEdwards