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ARUÁN ORTIZ – Créole Renaissance – Piano Solo

2025 (Intakt Records) - Stil: Jazz

Aruán Ortiz ist nicht der gewöhnliche Pianist von nebenan. Geboren in Santiago de Cuba, aufgewachsen in der Schule der klassischen Moderne und längst in Brooklyn zu Hause, trägt er in seinen Händen eine halbe Welt. Europäische Avantgarde von Schoenberg, Messiaen oder Ligeti, afro-kubanische Rhythmen von Bebo Valdés bis Chucho, der freie, eruptive Geist von Don Pullen oder Cecil Taylor – all das fließt bei ihm zusammen. Und doch bleibt Aruán Ortiz er selbst. Für ihn besitzt das Klavier eine eigenständige Sprache, in der Geschichte, Widerstand, Exil und Hoffnung miteinander ins Gespräch treten.

Mit ´Créole Renaissance´ legt Aruán Ortiz ein neues Soloalbum vor, acht Jahre nach ´Cub(an)ism´. Aufgenommen im Dezember 2024 in den “Artesuono Studios” von Stefano Amerio in Italien, gemischt und gemastert im Frühjahr 2025, präsentiert er zehn Stücke, die nichts beschönigen, nichts vereinfachen. Schon der Titel ´Créole Renaissance´ verweist auf eine Renaissance, die ihre Kraft aus der Tiefe der Karibik, der Erfahrung des Kolonialismus und der Poesie der Négritude schöpft. Die Töne stellen Fragen, sie graben in der Geschichte.

Der Opener ´L’Etudiant Noir´ rollt schwer und drängend. ´Seven Aprils In Paris (And A Sophisticated Lady)´ dagegen malt ein lyrisches Bild: Paris im Licht, eine Silhouette, ein Hauch von Ellington. Mit ´Légitime Défense´ schlägt Aruán Ortiz kurz und kantig zu, keine zwei Minuten. ´From The Distance Of My Freedom´ öffnet sich wie ein einsamer Monolog.

Die Miniaturen – ´Première´ und ´Deuxième´ – sind kleine Fragmente, rasch hingeworfen, doch voller Spannung. ´The Great Camouflage´ breitet tiefe Akkorde in stillen Räumen aus, fast wie Morton Feldman. Für ´We Belong To Those Who Say No To Darkness´ greift Aruán Ortiz ins Innere des Klaviers, zupft und dämpft die Saiten, verwandelt das Instrument in Oud, Zither oder elektrische Resonanz.

Gegen Ende hellt sich der Ton. ´The Haberdasher´ tänzelt leichter, fast verspielt. Und mit ´Lo Que Yo Quiero Es Chan Chan´ verweist Aruán Ortiz auf Compay Segundo, den lebendigen Puls seiner Herkunft. Das Stück endet leise, wie ein Nachhall, der zurück nach Kuba trägt.

´Créole Renaissance´ zwingt, genau hinzuhören, sich einzulassen. Aruán Ortiz arbeitet mit Stille, mit Brüchen, mit Klangflächen, die nicht nur Musik sind, sondern Geschichte in Echtzeit. Er steht damit in der Tradition von experimenteller Musik, die immer auch politisch, poetisch und existenziell war. Denn Aruán Ortiz verwandelt Geschichte in Klänge: Kolonialismus, Exil, Widerstand. Doch es bleibt auch Hoffnung für die Zukunft, in jeder Dissonanz, in jeder Pause. ´Créole Renaissance´ ist ein Album, das seine Renaissance nicht nur im Titel trägt, sondern in jedem Ton.

(8,5 Punkte)

https://aruanortiz.bandcamp.com/album/cr-ole-renaissance
https://www.facebook.com/aruan.ortiz

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