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KLAUS SCHULZE – Bon Voyage (Live Audimax Hamburg 1981)

2025 (SPV) - Stil: Electronic

Es ist der 25. November 1981. Die Luft ist kalt, die Städte sind grau, aber irgendwo in einem unscheinbaren Auditorium in Hamburg beginnt ein unhörbares Leuchten. Klaus Schulze, der einsame Astronaut unter den Musikern seiner Zeit, beendet seine zweiwöchige Tournee durch Europa. Doch in diesem Moment weiß niemand, dass ein Zeitdokument entsteht, das über 40 Jahre später noch immer zwischen Herz und Hirn flimmert.

Das frisch veröffentlichte Livealbum ´Bon Voyage (Live Audimax Hamburg 1981)´ ist wie ein Blick durchs Bullauge eines Raumschiffs, das sich von Raum und Takt befreit hat. Klaus Schulze, der in diesem Jahr bereits ´Trancefer´ veröffentlicht und zuvor mit dem ersten vollständig digital aufgenommenen Album ´Dig It´ technisches Neuland betreten hatte, spielt hier keine gewöhnlichen Konzerte, er beschwört Landschaften. Elektronisch und hypnotisch sowie immer zutiefst menschlich.

Klaus Schulze ist kein gewöhnlicher Performer im klassischen Sinne. Er sitzt meistens auf der Bühne, um zu erzählen. Seine Musik entsteht nicht aus der Pose heraus, sondern aus dem Puls des Moments. Gemeinsam mit seinem Weggefährten Manuel Göttsching, der Gitarrenalchimist von ASH RA TEMPEL, baut er in Hamburg ein klangliches Monument. Dabei wirkt das Duo wie zwei alte Seelen, die sich ohne Worte verstehen. Manuel Göttschings Gitarrensynthesizer fließt nicht über, er durchdringt. Klaus Schulzes Keyboards sind keine schnöden Gerätschaften, sie sind Werkzeuge einer Sprache, die in der Finsternis von Stern zu Stern tanzt.

Die Reise beginnt mit dem programmatischen Auftakt ´The Journey Begins´, ein vergleichsweise flüchtiges Vorwort, das von Beginn an loslassen kann. Dann folgt ´Bon Temple Pt# 1 & 2´, das Hauptportal dieses Konzerts. Eine über halbstündige Expedition durch fiebrige Arpeggios, gläserne Sequenzen und kalte Harmonien, samt dieser immer wieder zwischen den Takten seltsam glimmenden Wärme. Es ist Musik, die durchwandert werden will.

´Ash Tari Moderne´ klingt wie eine verwaschene Erinnerung an ein arabisches Motiv, durch den Filter der Zukunft im Weltall gesendet. Danach ´Moulin Bleu´, in zwei Teilen, fast tänzerisch, aber konzentriert wie ein Uhrwerk mit Seele. Ein Ruhepunkt ist ´Kreisreise´, ein Moment des Verweilens, der innerhalb des Werkes vielleicht am stärksten berührt. Ganz reduziert und offen. Der Abschluss mit einem nochmals flüchtigen ´Wiegenlied´ und dem weiteren Aufbruch ´Voyage Encore´ zum Finale endet im aufbrandenden Applaus.

Dass diese Aufnahme überhaupt existiert, grenzt fast an ein Wunder. Denn ein spontaner Geistesblitz der Crew, eigentlich eher als privates Erinnerungsstück gedacht, führte zu einem improvisierten Mitschnitt, gefilmt mit nur einer Kamera, aufgenommen auf U-Matic. Doch in der Rohheit, in der Intimität, liegt der Zauber. Die Geräte atmen, die Schaltungen flackern. Man spürt, dass hier Menschen mit Maschinen sprechen. Kein audiophiles Glanzstück, aber ein echtes.

Bon Voyage ist ein leiser Klassiker. Kein Werk, das schreit, sondern eines, das bleibt. Ein ungeschliffenes Juwel aus einer Zeit, als elektronische Musik noch Expedition war. Für Klaus Schulze-Veteranen ein sentimentaler Schatz. Einsteigen, anschnallen. Bon Voyage.

https://www.facebook.com/OfficialKlausSchulze

 

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