
AGROPELTER – The Book Of Hours
2025 (The Laser’s Edge/Alive) - Stil: Progressive Rock
In einer Welt, in der Progressive Rock oft zwischen Retro- und überambitionierter Technik-Obsession taumelt, ist ´The Book Of Hours´ von AGROPELTER eine echte Wohltat. Es erinnert uns daran, dass wir einst die Nadel auf die ersten Platten von GENESIS, CAMEL oder KING CRIMSON gelegt haben. Die zu hörende Virtuosität und Atmosphäre ließ uns vor Jahrzehnten nicht mehr los, und eben diese besonderen Eigenheiten beherrscht Kay Olsen, der Architekt dieses epischen norwegischen Klanggemäldes namens ´The Book Of Hours´ mit erschreckender Leichtigkeit.
Kay Olsen ist ein Multiinstrumentalist, der musikalische Räume erschafft, in denen Mellotrons wispern, Kirchenorgeln durch jahrhundertealte Gemäuer hallen, und Synthesizer nicht klingen, sondern träumen. Auf seinem Debütalbum unter dem Projektnamen AGROPELTER hat er nicht nur jedes Gitarren- und Tastensolo selbst eingespielt, sondern auch ein Ensemble von musikalischen Koryphäen um sich versammelt: Jonas Reingold lässt den Fretless Bass singen, während Mattias Olsson Percussion, Atmosphäre und eine gewisse nordische Schrägheit beisteuert, die dem Album eine fast mystische Qualität verleiht. Andreas Sjøen am Schlagzeug ist der Puls, präzise und verspielt.
Doch die große Klangarchitektur baut Kay Olsen auf. Seine Arrangements sind wie gotische Kathedralen, komplex, verzweigt und lichtdurchflutet. Die Instrumente sind geschichtet. Jedes hat seine Frequenznische, jede Klangfarbe ihre dramaturgische Rolle. Synthesizer schweben oft als tragende Atmosphäre parallel über den Gitarren.
Schon der Opener ´Flute Of Peril´ breitet sich in aller Epik aus. Regen prasselt, eine einsame Flöte singt gegen die Dunkelheit an und Mellotron-Streicher wölben sich wie Kirchenfenster über einem verlassenen Klosterhof. ´Levitator´ explodiert dagegen förmlich. Ein orgelgetriebener Ritt durch neobarocke Motive, Melodic-Anleihen und hymnische Gitarrenlinien. In solchen Momenten verschmelzen Bach und Alan Parsons, Wakeman und Vangelis. ´Burial Mound´ ist jedoch karger und ritueller. Jonas Reingolds Bass gleitet wie Nebel über alte Gräber, während Kay Olsen eine düstere Klanglandschaft malt, irgendwo zwischen frühem Mike Oldfield und nordischer Volksmystik.
Die Dynamik ist hier das eigentliche Instrument, doch der wahre Prüfstein dieses Albums ist das vierteilige Epos ´The Book Of Hours´: “Part I” beginnt wie ein verlorenes Rachmaninoff-Präludium, das sich langsam in eine sinistre Prog-Fuge verwandelt. Glocken, Arpeggios, Synth-Winde und leiseste Cembalo-Tupfer. “Part II” greift tiefer in den Fundus klassischer Prog-Dramatik. Bässe, Minimoog, Kirchenorgel-Intermezzo und Harmonien. “Part III” wirkt fast wie ein Traum in einem Traum. Ein hypnotisches Wechselspiel aus Synthie-Flächen, Duduk-Wehklagen, Harpsichord-Tupfern und einem Glockenspiel. “Part IV” schließlich ist ein Crescendo aus ABBA-esken Harmonien , MAHAVISHNU-Fusion-Licks und einem kammermusikalischen Coda.
Empfohlen für Freunde mit audiophilen Kopfhörern, die gerne hören, wie Räume klingen. Für Freunde von britische Nationalbibliotheken alter Schule und verstaubten Sternenwarten. Denn ´The Book Of Hours´ besinnt sich auf die emotionale Kraft des Progressive Rock und schaut dabei ohne mit der Wimper zu zucken in eine leuchtende Zukunft.
Acht mystische Portale – wie in die Steinbögen einer gotischen Kathedrale gemeißelt.
https://www.instagram.com/agropelter/?hl=de
https://lasersedge.bandcamp.com/album/the-book-of-hours
Pic: Nils Fredrik Wilsløff-Høgestøl