
CASPAR BRÖTZMANN MASSAKER – It’s A Love Song
2025 (Exile On Mainstream) - Stil: Archaic
Caspar Brötzmann ist nicht einfach nur ein Gitarrist. Man könnte ihn eher als lebendiges Seismographen-Gerät mit Saiten bezeichnen, fest verbunden mit seinen tiefen Emotionen. Was seine Hände berühren, vibriert bis ins Mark. Wenn er spielt, kann es alles Mögliche zerschmettern, aufwühlen oder sogar befreien.
Mit seinem neuen Album bringt er zusammen mit seinem wilden Trio Massaker ein Werk heraus, das im Titel schon eine gewisse radikale Ironie offenbart. ´It’s A Love Song´ ist eine Umarmung des Abgrunds, eine Zustimmung zu den reinigenden Kräften des Klangs.
Auch der Release selbst ist alles andere als gewöhnlich. Die Scheibe enthält zwei Live-Versionen des Stücks ´All This Violence´, die in Wien und Dresden aufgenommen wurden, mit Saskia von Klitzing an den Drums und Eduardo Delgado Lopez am Bass. Ein ursprünglich geplantes Studioalbum wurde beiseitegeschoben, um diese dringendere Botschaft zu senden. Und genau das spiegelt sich in ihrer Musik wider. Es ist, als wollte das Werk nichts und erreicht dennoch alles.
Bereits die ersten Töne von ´All This Violence´ (Live in Vienna) schneiden durch die Luft. Brötzmanns Gitarre brüllt und taumelt in einem ständigen Wettlauf gegen die Konvention. Sie will Emotionen hervorrufen und das Publikum fühlen lassen. Dabei sind die eingesetzten Mittel äußerst bodenständig: Verzerrung, Feedback und Lautstärke.
Die Interaktion mit Saskia von Klitzing, die früher bei DIE HAUT gespielt hat, erzeugt eine hypnotisierende Wirkung. Delgado Lopez’ Bass gräbt sich tief in die Klanglandschaft hinein und wirkt dabei wie ein pulsierender Kontrapunkt, der durch das Fundament schwingt. Zusammen schaffen sie eine Dichte, die eher an ein gewaltiges, tektonisches Ereignis erinnert als an ein einfaches Konzert.
Die zweite Version von ´All This Violence´ (Live in Dresden) ist hingegen nicht einfach nur eine Wiederholung, sie bietet eine alternative Realität des gleichen Stücks. Während Wien von roher, unmittelbarer Wut geprägt ist, geht es in Dresden langsamer zu. Es fühlt sich an wie ein nihilistisches Ritual. Man kann die Stille zwischen den Tönen fast hören.
´All This Violence´ ist keine oberflächliche Reaktion auf die Nachrichtenlage. Stattdessen ist es eine sehr persönliche, klanggewordene Ohnmacht. Brötzmann gibt sich keiner eindeutigen Aussage hin. Es ist ein Statement, das sich jeglicher Einfachheit entzieht, gerade weil es so direkt und unverfälscht ist. Es gibt keinen Versuch, die Welt zu erklären, sondern ein einfaches Bemühen, sie auszuhalten. Dass Brötzmann auf Worte verzichtet, ist kein Zufall.
´It’s A Love Song´ fordert die volle Aufmerksamkeit. Es ist kein Album, das man einfach so nebenbei hören kann. Es ist kein Produkt im herkömmlichen Sinne, sondern eine Botschaft in Klangform. CASPAR BRÖTZMANN MASSAKER entwerfen hier kein neues Kapitel ihrer Diskografie, sondern sie schreiben ihre Geschichte mit einem Flammenwerfer in Stein.
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Pic: Julia Lanckl
(VÖ: 20.06.2025)