
HANK MOBLEY – Roll Call
1961/2025 (Blue Note Records) - Stil: Jazz
In der goldenen Zeit des Hard Bop war Hank Mobley der sanfte Rebell im Jazz. Er hatte seine ganz eigene Art, die Musik zu spielen. Daher war er nicht nur ein verlässlicher und ideenreicher Sideman, sondern wurde auch immer mehr zu einem selbstbewussten Bandleader, als sich seine Plattenfirma “Blue Note Records” in den Fünfzigerjahren zur wichtigsten Bühne für großartige Jazz-Platten entwickelte.
Ab 1956 spielte Hank Mobley mit fast allen großen Namen in der Jazzszene: Lee Morgan, Donald Byrd, Art Farmer und Sonny Clark. Doch er war nicht nur ein begabter Mitspieler, er hatte auch ein Talent dafür, groovige Melodien und gefühlvolle Balladen zu kreieren. Besonders seine Sessions als Bandleader zu Beginn der Sechzigerjahre zeigen dies. Die Klassiker ´Soul Station´ (1960), ´Roll Call´ (1961) und ´Workout´ (1962) hatten eine besondere Energie und ein großes musikalisches Herz.
´Roll Call´, aufgenommen am 13. November 1960 in den “Van Gelder Studios”, Englewood Cliffs, ist der klingende Beweis: ein kompromisslos groovendes, klanglich brillantes Album, das Hank Mobley in Hochform zeigt. Eingespielt mit einer geradezu erstklassig besetzten Formation – Freddie Hubbard (Trompete), Wynton Kelly (Piano), Paul Chambers (Bass) und Art Blakey (Drums) – gerät diese Session zur musikalischen Sternstunde.
Schon der Opener, der Titeltrack ´Roll Call´, beginnt nicht mit dem Saxophon, sondern erst mit Schlagzeuger Art Blakey, der mit einer explosiven Latin gelenkten Attacke die Bühne in Stellung bringt, und dann mit Trompeter Freddie Hubbard, der die jugendliche Devise – forsch und ungestüm – immerzu umsetzt. Hank Mobley spielt mit voraneilender Eleganz und swingt mit Wärme durch seine Melodiebögen. Alles bei höchster Klarheit im Ausdruck, denn ´Roll Call´ ist ein Paradebeispiel dafür, samt ausgiebigen solistischen Exkursionen, wie Hank Mobleys Kompositionen einfache Formen mit großer Wirkung zu füllen wissen.
Fünf der sechs Kompositionen sind auch Eigenkompositionen aus Hank Mobleys Feder. ´My Groove, Your Move´ ist eine tief entspannte Komposition, bei der Art Blakey mit zurückgelehntem Swing die Zügel locker lässt, während Hank Mobley mit schlauer Gelassenheit am Tenorsaxophon brilliert und Wynton Kelly seinen Instinkten am Piano freien Lauf lässt. ´Take Your Pick´ suhlt sich hingegen im puren Hard Bop, bei dem Tenorsaxophon und Trompete wunderbar miteinander harmonisieren, aber auch so geschmeidig solieren wie Wynton Kelly.
Dann folgt mit ´A Baptist Beat´ ein weiterer Höhepunkt. Die gospelgetränkte Komposition erlebt einen hymnisch aufspielenden Freddie Hubbard an der Trompete und vor allem einen Hank Mobley am Tenorsaxophon mit einem Call-and-Response-Motiv. Solch heilige Klänge könnten tatsächlich auch bei Nacht aus einer Südstaatenkirche zu hören sein.
Die Momente der Zärtlichkeit, die der Standard, die einzige Fremdkomposition ´The More I See You´, vermittelt, könnten aufgrund des gedämpften und rhythmisch spartanischen Settings ebenso aus dem Miles-Universum stammen. Tenorsaxophonist Hank Mobley erhält dementsprechend ausreichend Raum zum Atmen. Denn die Luft benötigen alle zum finalen Abgang ´The Breakdown´. Art Blakey wirbelt, schmettert und explodiert, als wolle er sein Drumset einmal quer durch das Studio befördern. Trompeter Freddie Hubbard fliegt durch die Melodienfolge, während Hank Mobley souverän, elegant und mit einem feinen Gespür für dramatische Ruhepunkte bleibt.
´Roll Call´ ist und bleibt ein Juwel im “Blue Note”-Katalog, ein Genuss für Puristen wie Neueinsteiger in der neuen 180g “Blue Note Classic Vinyl”-Edition. Kevin Grays rein analoges Mastering bringt Wärme, Tiefe und Dynamik in den Raum, wie es sonst nur Erstpressungen schaffen.
´Roll Call´ klingt wie ein gut gereifter Bourbon, komplex, kraftvoll, doch nie aufdringlich. Es ist das Werk eines Bandleaders, der wusste, wie man seine Mitspieler glänzen lässt, ohne selbst im Schatten zu verschwinden. ´Roll Call´ ist härter und kantiger, reifer und kompakter als Hank Mobleys Werke zuvor.
(Klassiker)
Hank Mobley – Tenorsaxophon
Freddie Hubbard – Trompete
Wynton Kelly – Klavier
Paul Chambers – Bass
Art Blakey – Schlagzeug
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