
LEAP DAY – When Gravity Wins
2025 (Independent/Just For Kicks Music) - Stil: Prog Rock
Mit ´When Gravity Wins´ kehren LEAP DAY in einer Form zurück, die mit Leichtigkeit an frühere Höhepunkte anknüpft. Schon die ersten Minuten des Albums öffnen ein Klangpanorama, das unmittelbare Strahlkraft besitzt: breit, vielschichtig, melodisch getragen und doch von jener feinen Präzision, die den niederländischen Neo Prog seit Jahrzehnten prägt.
Die Einführung des neuen Sängers Roelof Beeftink erweist sich dabei als Glücksfall. Seine Stimme besitzt ein raues, widerstandsfähiges Timbre, das unmittelbar berührt und den Stücken ein organisches Profil verleiht. Im Opener ´VOID´ spannt er seine Melodielinien über pulsierende Tastenteppiche von Gert van Engelenburg und Derk Evert Waalkens, begleitet von den eleganten, klar konturierten Gitarrenfiguren von Eddie Mulder. Der Song zeichnet ein Bild unserer überreizten Gegenwart, in der digitale Echos lauter klingen als echte Stimmen, und schafft es, diesen Zustand musikalisch so zu fassen, dass sich die Unruhe wie ein fiebriges Flirren zwischen den Instrumenten ausbreitet.
´Viral Cage´ führt diese Spannung fort. Die Band entfaltet ein reines Instrumental, das nicht durch Virtuosität prahlt, sondern durch das Miteinander von Gitarren und Keyboards. Es ist ein Stück, das an jene Momente erinnert, in denen Progressive Rock sich ganz auf sein erzählerisches Potenzial verlässt und die Sprache der Musik selbst zum Zentrum macht.
Mit ´Winter´ öffnen LEAP DAY dann eine völlig andere Welt. Der Track wirkt wie eine stille Kammer, gefüllt mit dem kühlen Atem der Jahreszeit und gleichzeitig mit der Wärme eines Gefühls, das in der Stille überdauert. Roelof Beeftink singt mit zurückgenommener Eindringlichkeit, während die Klavierlinien und der sanft schimmernde Klang der Trompete von Derk Evert Waalkens eine Atmosphäre erzeugen, die beinahe kammermusikalisch anmutet.
Das folgende ´Falling Star´ setzt mit einer weiten, offenen Einführung an und lässt die Melodie zunächst aufleben, bevor sich Song und Sänger in die erzählerische Tiefe vorwagen. Die Band zeichnet eine Geschichte des Absturzes, aber ohne Dramatik aufdringlich auszuleuchten. Stattdessen entstehen ruhige Flächen, die sich langsam verdichten, und Soli, die sich aus dem Gesamtklang heben.
Mit ´Wrinkles´ rücken LEAP DAY die leisen Zeichen der Vergänglichkeit in den Mittelpunkt. Gitarren, Synthesizer und gesangliche Linien greifen ineinander, als würden sie ein Porträt zeichnen, das sich erst im Verlauf offenbart. Der Song verweilt in Momenten, in denen die Zeit ihre Spur hinterlässt, und verwandelt diese Spuren in eine sanfte Würdigung des gelebten Lebens.
Das abschließende Epos ´Pride Before The Fall´ ist schließlich der große Wurf dieses Albums. Über mehr als zwanzig Minuten entfaltet die Band eine Erzählung, die zwischen symphonischer Weite und intimer Reflexion pendelt, getragen von Motiven, die wiederkehren und sich verändern, als würde die Musik selbst das Thema des Stücks – den Aufstieg, den Fall und die Erkenntnis – in Klangform nachzeichnen. Die Band spielt hier mit einer Reife, die auf jahrelanger Zusammenarbeit beruht. Das finale Ausklingen im Pianoton, begleitet von der geöffneten Weite der Produktion, markiert einen jener Schlusspunkte, die sich wie ein Glücksmoment anfühlen.
´When Gravity Wins´ ist ein Werk, das LEAP DAY als gereifte Formation zeigt, als Ensemble, das um seine Stärken weiß und sie mit neuem Selbstverständnis ausspielt. Hier verbinden sich melodische Eleganz, klangliche Tiefe und erzählerische Konsequenz zu einem Album, das ein bemerkenswert geschlossenes und atmosphärisch kraftvolles Statement abgibt. Ganz gleich, ob man LEAP DAY seit Jahren begleitet oder die Band erst jetzt entdeckt – dieses Album zieht einen in seinen Bann und lässt einen lange darin verweilen.
(8,25 Punkte)



