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DEICIDE – Deicide

1990/2025 (Real Gone Music/Roadrunner Records) - Stil: Death Metal

Als ´Deicide´ 1990 das Licht, oder besser die Finsternis der Welt erblickte, war es nicht einfach nur ein weiteres Album im noch jungen Genre des Death Metal. Es war ein Schlag ins Gesicht der christlich geprägten westlichen Welt, eine geifernde Attacke auf alles Heilige. Es war ein Meilenstein in Sachen musikalischer Härte, Kompromisslosigkeit und Atmosphäre.

Doch die Wurzeln des Bösen reichen zurück bis in das Jahr 1987, als die beiden Gitarrenbrüder Brian und Eric Hoffman gemeinsam mit dem jungen Schlagzeuger Steve Asheim in Tampa, Florida, unter dem Namen CARNAGE ihren Vorbildern SLAYER und SODOM nacheiferten. Mit schierer Besessenheit probten sie täglich und gingen nur wenn es regnete in die Schule. Als Glen Benton, Bassist, Sänger und bekennender Antichrist, dazustieß, wurde aus dem Talenthaufen ein wild gewordener satanischer Mob in einer aufgescheuchten Musikszene.

Aus CARNAGE wurde AMON, später auf Drängen von “Roadrunner Records” letztendlich DEICIDE. Die berüchtigten Demos ´Feasting The Beast´ und ´Sacrificial´ sicherten ihnen den Plattenvertrag. Die Musik war roh, brutal und dämonisch, die Bühnenshows blutig, stinkend und voller Schweineinnereien.

Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum gelang der Band der perfekte Spagat zwischen Chaos und Präzision. Produziert von Scott Burns in den legendären “Morrisound Studios”, riecht die Platte noch nach dem Schweiß der Garage, trägt aber bereits gestochen scharfe Strukturen des Bösen in sich.

Zehn Songs, 33 Minuten und keine Sekunde Gnade. Schon das eröffnende ´Lunatic Of God’s Creation´ lässt keinen Zweifel. In diesem Moment öffnet sich das Tor zur Hölle. Die Tür quietscht, der Wahnsinn bricht los. Ein Song wie ein Ritualmord.

Steve Asheim, oft unterschätzt, spielt hier nicht bloß Schlagzeug, er folgt einem apokalyptischen Puls. Die Gitarren der Hoffman-Brüder sägen, kratzen und peitschen. Und Glen Benton schreit, growlt und flüstert in hohen, mittleren und tiefen Lagen. Seine dreifach geschichteten Vocals sind nicht nur stilprägend, sondern schlichtweg unheimlich.

In ´Sacrificial Suicide´ betet er den Selbstmord als Akt der Rebellion an, in ´Oblivious To Evil´ offenbart sich die kalte Perspektive des Täters. Der düstere Klassiker ´Dead By Dawn´ ist ein sich ins Gehirn brennender Höllenritt zwischen Besessenheit und Zerstörung sowie eine Hommage an “Evil Dead”.

´Crucifixation´ stampft fast schon hypnotisch in seinem Midtempo-Groove wie ein Panzer durch das christliche Abendland. ´Blaspherereion´ hingegen ist ein chaotischer Sturm, ein Exorzismus in Songform und das Lied ´Day Of Darkness´ verdichtet das Album auf sein Wesentliches. Es ist schleppend, höllisch und voller Verachtung.

Ein geschlossener Kreislauf aus Wahnsinn, Wut und Verderbnis. Das pure, teuflische Herz des frühen Death Metal.

Wer von MORBID ANGEL oder OBITUARY den Weg zu DEICIDE fand, erlebte hier eine andere Art von Brutalität. DEICIDE waren trotz ihrer Aggression rhythmisch klarer, fast groovig, mit deutlichen Wurzeln im Thrash. SLAYER hallte durch viele Riffs, doch wo SLAYER noch gegen das Establishment pöbelten, zerschmetterten DEICIDE es mit voller Wucht.

´Carnage In The Temple Of The Damned´ erzählt von Jim Jones, ´Lunatic Of God’s Creation´ von Charles Manson. Religiöse Wahnfiguren werden zu Anti-Helden. Doch so real die Inspiration, so metaphysisch die Musik. ´Deicide´ ist eine Reise in eine schwarze Anderswelt, wo Rhythmus und Wahnsinn eins werden.

´Deicide´ wurde nicht nur Kult, es wurde ein Referenzwerk und war für viele junge Hörer der Einstieg in den Death Metal. Kein technisches Gefrickel. Nur Hass. Und ein verdammt gutes Gespür für Hooks.

Auch wenn spätere Alben wie ´Legion´ härter, schneller und komplexer waren, das Debüt bleibt der Kern von DEICIDEs Mythos.

Die Neuauflage in Metallic White & Red “Centurion”-Vinyl ist ein zweischneidiges Schwert. Optisch ansprechend, mit Sammlerwert und schönem Einleger versehen, betont das neue Remaster zwar die Bässe, leidet aber unter einem leicht undifferenzierten Sound, der diesem etwas die ursprüngliche Schärfe raubt. An das Original-Vinyl kommen momentan wohl nur die 2010er-Version oder die Edition des Boxsets heran. Als Einstieg, Sammlerstück oder Drittpressung darf allerdings auch die 2025er-Version herangezogen werden.

´Deicide´ ist eine schwarzglühende Klangskulptur aus Wut, Verachtung und musikalischer Raserei. Womöglich der beste Soundtrack für die persönliche Höllenfahrt.

(Klassiker)

https://www.facebook.com/OfficialDeicide/

 

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