
UFO – No Place To Run (Remastered)
1980/2025 (Chrysalis) - Stil: Hard Rock
Die UFO-Wiederveröffentlichungen begleite ich mit großem Interesse. Ist die Band doch eine meiner Lieblings-Bands. Wenn es um die beste UFO-Bandphase geht, werden wahrscheinlich die meisten – inklusive meiner Person – das UFO-Kapitel mit Michael Schenker von 1974-1979 als die beste Phase einordnen. Die ersten UFO-Alben hatten ihren speziellen Reiz, der Space-Rock von ´Ufo 2´, das Debüt, das die damaligen Lautsprecher mit Pete Ways Bassspiel bei ´Boogie´ austestete, aber mit dem “German Wunderkind” Michael Schenker und dem phänomenalen Debüt ´Phenomenon´ kamen 1974 fünf produktive Jahre mit vielen Klassikern.
Ich habe schon ein paar Mal auf die großen Parallelen zu meiner Lieblingsband THIN LIZZY hingewiesen. Beide starteten 1974 mit ihrer besten Band-Besetzung und veröffentlichten fünf Studio-Alben in rasender Geschwindigkeit von hoher Qualität. Beide beendeten die jeweilige Ära mit fantastischen Live-Alben: ´Live And Dangerous´ bei THIN LIZZY und im Falle von UFO ´Strangers In The Night´. Und beide fuhren auf der Überholspur und letztendlich die Band ungebremst an die Wand. Phil Lynott und Brian Robertson hatten sich spätestens Anfang 1977 auseinandergelebt. Phil Mogg und Michael Schenker, so genial sie als Songwriter zusammen waren, hatten schnell persönliche Probleme im Umgang miteinander. Phil Mogg ist einer der besten Sänger, aber – ich habe ihn oft gesehen – kein großer Showman. Wenn Michael seine Flying V anwarf, flippten die Menschen vor der Bühne aus. Das “Wunderkind”. Es kam zu Konkurrenz auf der Bühne, bei der Phil Mogg nur als zweiter Sieger hervorgehen konnte. Der sensible, gerade aus dem Teenageralter herausgewachsene Deutsche, und der Hobby-Boxer Phil Mogg, ein rauer Geselle. Das endete dann am 29.10.1978 als Michael (ähnlich wie später Gary Moore bei THIN LIZZY) einfach beim Konzert im “Keystone Palo Alto” Club die Band verließ. Streiten kann man nur darüber, ob es vor der Trennung ein paar Schläge für Michael in die Magengrube setzte oder nicht. Da gibt es verschiedene Meinungen. Auch die nächste Schenker-Mogg Episode ab 1995 ging nicht lange gut. Ich erinnere mich an die letzte Tour, als sich Phil und Michael keines Blickes würdigten.
Nun, der blonde Gitarrengott war Geschichte und auch da gibt es wieder Parallelen zur zweiten maßgeblichen Band der späten 70er-Jahre. Denn für den bei THIN LIZZY geschassten Brian Robertson kam Gary Moore, der in dessen “unfallbedingter” Abwesenheit schon einmal 1977 eingesprungen war. Ähnlich wieder bei UFO. Paul “Tonga” Chapman hatte schon teilweise bei der ´Phenomenon´-Tournee die zweite Gitarre gespielt. Und auch 1977 in Abwesenheit von Michael Schenker ausgeholfen. Und deshalb war es folgerichtig, dass Phil Mogg und Pete Way auf ihn als Ersatz setzten. Paul Raymond war weiter (allerdings nur noch auf dieser Platte, dann kam Multitalent Neil Carter) mit an Bord und auch Ur-Schlagzeuger Andy Parker. “Tonga” Chapman fehlte es auch weder am Selbstbewusstsein, noch an den musikalischen Fähigkeiten, um ein ordentlicher Ersatz für Michael zu sein. Klar, die Schenker-Ära war für mich und andere sakrosankt, aber die vier Alben mit Paul Chapman leiteten die nächste starke UFO-Phase ein. Dabei sind für mich die beiden mittleren Alben ´Mechanix´ und ´The Wild, The Willing And The Innocent´ noch etwas stärker als das hier besprochene ´No Place To Run´ und das Abschlussalbum ´Making Contact´, bei dem auch Pete Way schon das Weite gesucht hatte.
Nun, ´No Place To Run´, was hier als Doppel-CD oder 3-LP neu abgemischt und mit drei Alternativ-Versionen (nur auf der Doppel-CD) und dem bisher unveröffentlichten Mix von ´Live At The Marquee, London, 16. November 1980´, einem starken Konzertmitschnitt vorliegt (mit einem Bonus auf CD), ist ein durchaus starkes Album. Nach dem damals üblichen Synthie-Intro ´Alpha Centauri´ geht es mit dem schnörkellosen ´Lettin’ Go´ los, das auch auf ´Obsession´ oder ein anderes Schenker-Album gepasst hätte. Paul Chapman ist sowohl bei den Riffs, als auch bei den reichlich vorhandenen Gitarrensoli einwandfrei in Form. Das bluesige ´Mystery Train´, im Original ein Blues-Titel von 1953 und auch von Elvis Presley gecovert, wurde schnell zum jahrelangen Live-Klassiker. Es gibt auf ´No Place To Run´ auch durchschnittlichere Titel, alles andere als schlecht, aber das Album hat nicht die hohe Dichte von Klassikern wie ´Phenomenon´, ´Force It´ oder ´Obsession´.
Klar, melancholische Balladen wie ´Gone In The Night´ oder das zarte ´Take It Or Leave It´ gehen mit Phil Mogg immer richtig gut. Ganz stark wird es wieder mit dem klassischen UFO-Gassenhauer und Titelsong ´No Place To Run´ mit allen positiven Eigenschaften, die die UFO der Ära mit Paul Raymond auszeichnete. Denn die Keyboards waren hier dank Paul passend eingesetzt und live sorgte er für die doppelte Gitarrenpower. Ein starker Song. ´Money, Money´ zitiert dann riffsweise Schenker in Richtung ´Cherry´. Auch ein sehr guter Song mit allen wichtigen UFO-Attributen. Das eher schwache ´Anyday´ mit Bassintro verabschiedet ein Album, das dank Paul Chapman den Phantom-Schmerz bei den UFO-Anhängern in Grenzen hielt und Auftakt zu einer weiteren, starken Phase war. Der Hard Rock der 70er-Jahre drohte im New Wave zu ersticken, aber mit der New Wave of British Metal stand schon eine neue Ära in den Startlöchern, bei denen die neu formierten UFO ganz gut mithalten konnten. Die drei auf der CD enthaltenen Alternativ-Versionen sind (nur) für beinharte UFO-Komplettisten interessant.
Wichtiger das Live-Album, das mit dem starken Doppelschlag ´Chains, Chains´ (Opener von ´The Wild, The Willing And The Innocent´) und dem ´No Place To Run´-Opener ´Lettin’ Go´ beginnt und eine gute Mischung aus der Chapman-Ära (es folgt das fantastische ´Long Gone´ von ´The Wild, The Willing And The Innocent) und der Schenker-Ära aufweisen kann. Die startet mit ´Cherry´ und ´Only You Can Rock Me´ und es folgen u. a. noch die absoluten Klassiker ´Love To Love´ (da fehlt mir Michael etwas) und natürlich ´Lights Out´, ´Rock Bottom´ und ´Doctor Doctor´ zum Schluss (´Makin’ Moves´ noch als Bonus auf CD). Und Paul Chapman zieht sich hervorragend aus der Affäre. Leider ist “Tonka” vor fünf Jahren am 09.06.2020 mitten an seinem 66. Geburtstag an einem Herzinfarkt gestorben und weilt wie der unvergessliche Pete Way und der starke Paul Raymond nicht mehr unter uns. So ist dieser Doppelpack auch ein wichtiges Vermächtnis (wobei beim Live-Album Neil Carter schon statt Paul Raymond mit an Bord war).
Was gibt es noch zu sagen? George Martin, ehrwürdiger THE BEATLES-Produzent, produzierte ´No Place To Run´. Nicht unbedingt eine gute Idee, aber die Produktion ist okay und die remasterte Version klingt noch etwas härter. “Sir” George Martin mit den wilden UFO? Da gibt Phil Mogg ein paar Stories im Booklet zum Besten. Dann ist da noch das Covermotiv, das manche für das schlechteste Covermotiv der genialen Hipgnosis halten. Nun, es ist irgendwie noch die Frage offen, ob Pete Way sich aus eigener Kraft aus seiner durch Coolheit bedingten breitbeinigen Schräglage an der Tankstelle befreien konnte. Mir fiel das Cover nie positiv und nie negativ auf. Für Hipgnosis aber ziemlich einfallslos.
Allen, die sich zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder mit den Chapman-UFO beschäftigen wollen, sei diese Wiederveröffentlichung ans Herz gelegt. Spannende Wiederentdeckung.
(Ohne Wertung, aber ein früher 80er-Jahre Hard Rock-Klassiker mit leichten Schwächen)
Pic: Aubrey Powell / Hipgnosis
(VÖ: 15.08.2025)