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ALCHEMY SOUND PROJECT performs The Music Of Sumi Tonooka – Under The Surface

2025 (Artists Recording Collective) - Stil: Jazz

Ein schattiger Pfad führt uns durch diese Musik. Keine breite asphaltierte Straße. Nein, ´Under The Surface´, das neue Album des ALCHEMY SOUND PROJECT, ist ein Weg durch das Unterholz. Ein Ort, an dem Ideen wurzeln, Gedanken verästeln, Rhythmen sich gegenseitig nähren und Klang wie feuchter Boden unter den Füßen pulsiert. Inmitten dieses Geflechts steht Sumi Tonooka – Komponistin, Pianistin und Geschichtenerzählerin.

Seit Jahrzehnten bewegt sich Sumi Tonooka souverän zwischen Genres und Generationen, mal im Trio, mal in symphonischen Weiten, aber immer mit einer unverkennbaren melodischen Stimme. Mit ´Under The Surface´ legt sie nun ein Werk vor, das nicht nur Musik, sondern ein Lebenskonzept ist. Die Suite ist vom Wurzelnetzwerk der Bäume inspiriert, dem „Wood Wide Web“, jener natürlichen Mykorrhiza-Struktur, die Bäume unterirdisch miteinander verbindet.

Und genauso funktioniert diese Musik. Das ALCHEMY SOUND PROJECT ist eine musikalische Gemeinschaft, ist ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten, ein intergenerationales Klangkollektiv, das durch seine Mitglieder ebenso geprägt ist wie durch Sumi Tonookas Handschrift. An ihrer Seite finden sich Gregg August (Bass), Johnathan Blake (Drums), Erica Lindsay (Tenorsaxophon), Salim Washington (Multi-Reeds), Samantha Boshnack (Trompete) und Michael Ventoso (Posaune) ein. Jeder Musiker dieser Gemeinschaft besitzt einen markanten Sound, einen individuellen Ton, der sich aber stets in den Gesamtorganismus einbettet.

Die Suite erlebt mit ´Points Of Departure´ ein rhythmisches Erwachen. Getragen vom versierten Schlagzeugspiel, erkundet Sumi Tonookas Pianospiel innerhalb eines jazzigen Vorwärtstastens durch das Dickicht den weiteren Weg. ´Savour´ wiederum klingt wie ein dialogischer Tanz zwischen Trio und Ensemble, zwischen Vergangenheit und Moderne, voller geschichtsträchtiger Unterströmungen, aber nie nostalgisch. Das elfminütige ´Interval Haiku´ zieht sodann Kreise wie Jahresringe im Holz. Die Hörner starten mit einer dissonanten Fanfare, die Trompete strahlt mit offener, suchender Wärme und das Saxofon legt ein Solo zwischen Himmel und Erde nach. Mit ´Tear Bright´ gönnt sich das Album eine Ballade, die den Hörer in einer melancholischen Ruhe wiegt. ´Mother Tongue´ bietet hingegen ein dichtes Gewebe aus Flötenlinien, lateinamerikanisch akzentuiertem Bassspiel und rhythmischem Flirren. Es scheint ein Kampf im tiefen Unterholz, wo jedes Geräusch Bedeutung trägt, stattzufinden. ´For Stanley´ ist eine stille Verneigung vor Stanley Cowell, Sumi Tonookas Mentor und prägende Figur in ihrer frühen Karriere. Ohne Pathos, aber mit einer berührenden Ehrlichkeit. Den finalen Epilog setzt die titelgebende Komposition ´Under The Surface´, ein jazziger Flirt mit Bossa-Nostalgie, aber im Geiste der Suite durchaus humorvoll und leichtfüßig.

Sumi Tonooka schreibt nicht einfach Kompositionen, sie erzählt und lebt ihre Musik. Sie lässt dabei andere mitsprechen und erinnert uns daran, dass Stärke oft in der Verbindung liegt, im Hinhören, im Reagieren, im Miteinander. ´Under The Surface´ ist ein Werk, das einen nicht in die Vergangenheit zieht, sondern in die Tiefe. Dorthin, wo Verbindungen wachsen, wo Musik unter der Oberfläche leuchtet. Und ganz nebenbei ist ´Under The Surface´ vielleicht der schönste Waldspaziergang, den man je mit geschlossenen Augen gemacht hat.

(9 Punkte)

https://sumitonooka.bandcamp.com/album/under-the-surface
https://www.facebook.com/sumitonooka

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