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ULTHA / MORAST – Split Pt. II (A Tribute to F.O.T.N.)

~ 2019 (Vendetta Records) – Stil: Post-Punk/Doom ~


Vor gut dreißig Jahren, genauer: 1987, machte ein englisches Quintett von Horrorfilmfreaks in langen, staubigen Ledermänteln und Cowboyhüten, das bis heute von vielen (gerade Extrem-) Metalbands als Vorbild genannt wird, zum ersten Mal auf sich aufmerksam: ´Dawnrazor´, das Debüt einer der einflussreichsten Gothic Rock/Metal-Bands gilt bis heute als Kultscheibe, und die darauf folgenden Veröffentlichungen von FIELDS OF THE NEPHILIM wurden noch erfolgreicher und wegweisender. Es wundert also wenig, dass ULTHA und MORAST hier wiederum einen gemeinsamen Nenner finden, wie es schon vor drei Jahren bei ihrer ersten gemeinsamen, ebenfalls bei „Vendetta Records“ erschienenen Split der Fall war, als sie ihre beiden Beiträge zu ´BATHORY: The CVLT Nation Sessions´ zusammenwarfen. Nun zollen sie also statt Proto-Black Metal dem Dark Wave, und statt Quorthon Carl McCoy Tribut – Nachtigall, ick hör dir trapsen…gerade wenn ich an die Zukunft des Kölner Quintetts denke, das hier die A-Seite bespielt.

Für ULTHA ist dies die zehnte Veröffentlichung in fünf extrem intensiven Jahren Bandgeschichte, und kommt heute pünktlich am Tag des vierten und letzten, von ihnen kuratierten „Unholy Passion Fests“ heraus. Man darf gespannt sein, ob sie den Song überhaupt noch einmal live spielen werden vor der angekündigten Pause – oder eben dem endgültigen Ende der Band. Und gleich drängt sich dazu noch die Frage auf, ob sich hier nicht schon eine mögliche musikalische Zukunft der Protagonisten abzeichnet, denn schon die beiden ´Belong´-Songs enthielten verstärkt Elemente des Post-Punk, und auch vermehrt cleanen Gesang. Doch genug spekuliert, und endlich zur Musik:

ULTHA haben sich für das FIELDS-Debüt und ´Vet For The Insane´, die beklemmende Geschichte des psychotischen Mörders entschieden, der im Wahn seinem Opfer noch die Schuld gibt, ihn hinter Gitter gebracht zu haben. Sie bleiben dabei in Geschwindigkeit und Sound sehr nahe am Original, doch wo Carl McCoy mithilfe seines typischen Vibratos in der Stimme noch dramatisch schauspielern musste, bringen ULTHA die nur vordergründig entspannte, dabei stets nur einen Atemzug von völliger Eskalation entfernte Stimmung, lakonisch und reduziert wie immer, nochmal deutlich glaubhafter rüber: gerade durch die trügerische, fast naive und selbstmitleidige Ruhe in Rs Stimme, mit denen er Ungeheuerlichkeiten wie „Flowers in your kitchen, they weep for you, I’m gonna shred them all to pieces, like I did to you“ ankündigt, sein lauernd, geradezu lasziv gehaucht, wiederholtes „Relax…“, Manuels eiskalt klirrendes Schlagzeug, der Hall der Gitarren und die nebulös wabernden Keyboards baut sich eine furchterregende Spannung auf, die schließlich in ULTHA-typischer brachialer Entladung zerrissen wird. Statt Gruseln herrscht hier echte Grauen, es wird hör-, ja geradezu fühlbar, wie ein einsamer, in seiner eigenen Welt lebender Geist, scheinbar klar denkend, doch in Wahrheit komplett dem Wahnsinn erlegen, agiert. Diese Zwiespältigkeit in Musik umzusetzen ist das wahre Kunststück, und es gelingt erschreckend perfekt. Mit nervenzerreißender Spannung spielen, und das Ende offen lassen – so kennen wir ULTHA, und zwar in jeglichem möglichen Sinne…

MORAST dagegen regeln auf der B-Seite die Drehzahl gehörig herunter auf doomige Trägheit, und schenken dem ursprünglichen flotten Rocker ´Blue Water´, der im selben Jahr wie ´Dawnrazor´ als sehr erfolgreiche Single erschien, ganze zwei Minuten zusätzliche Laufzeit. Um es vorwegzunehmen: von blauem Wasser kann hier keine Rede mehr sein, ihrem Namen und Genre entsprechend ist vielmehr eine trübe, sludgige Brühe daraus geworden, durch die sie sich hier, wie man es von ihnen kennt, unermüdlich durchkämpfen.

Stellt man sich beide Bands vor, wie sie in der Dunkelkammer Abzüge der Songs erstellen, so arbeiten ULTHA die ihnen wichtigen Details dessen, was die Briten vorgegeben haben, am Positiv heraus, legen den Fokus auf das Spiel mit wechselnder Belichtung, Körnung und Kontrast. MORAST hingegen erschaffen die gewünschte Stimmung dadurch, dass sie in die Tiefe gehen, Schicht um Schicht abschälen, bis sie am Kern angekommen sind; stripped down to the bone. Sie arbeiten direkt am Negativ, mit eher grobkörnigem Entwickler und natürlich genretypisch mit sehr, sehr viel Zeit. Und Groove. Und Bass, denn da hat ihnen Tony Pettitt natürlich eine Steilvorlage geliefert. Das Ergebnis hat schließlich nichts mehr von der nach außen gekehrten 80er Coolness, sondern berührt FIELDS OF THE NEPHILIMs rohe Essenz, so wie sie auch live zu spüren ist: Schwere, Schwärze, Hoffnungslosigkeit, Todessehnsucht, aber auch Mystik, Andersartigkeit und Stolz. Dadurch wird MORASTs ´Blue Water´-Interpretation zu einer Entwicklungsgeschichte, einem Coming-of-Age des Akzeptierens des eigenen Außenseiterstatus, das möglicherweise die jugendliche Zeit berührt, in der die meisten Fans diese so außergewöhnliche Band kennen lernten. Dies lässt dem Song trotzdem sein Mysterium, ja verstärkt es sogar noch. Reduced to the max.

Dieses Tribut ist für FIELDS-Fans, die offen in Richtung Extremmetall sind, absolutes Pflichtprogramm – für das Gefolge beider beteiligter Bands steht die Anschaffung sowieso außer Frage. Damit ist sie auch eine super Geschenkidee, auch für sich selbst, und ab sofort bei bandcamp zu erstehen…eine Split, die sich im Replay-Mode ganz wunderbar für lange Winterabende am Kamin eignet, wenn draußen der eiskalte Wind um die Häuser streicht…

(ohne Wertung, aber mit absoluter Kaufempfehlung!)

 

https://ultha.bandcamp.com/
https://morast.bandcamp.com/
https://vendetta-records.bandcamp.com/